Meine Hemmungen sind verschwunden. Seit mein Sohn auf der Welt ist, habe ich mir hundertfünfzigtausendmillionen fragwürdige Spitznamen für ihn ausgedacht. Ich erfinde neue Wörter (der letzte Buchstabe ist meistens ein „i“). Neulich habe ich ein Thermometer als Mikrofon benutzt und dem Baby meine Version von „Skater Boy“ hingeschmettert (er ist eindeutig ein Fan). Ich setze mich mit ihm ans Klavier und drücke wild irgendwelche Tasten. Früher habe ich sie bloß blockiert angestarrt, wenn es hieß, ich solle improvisieren.

Seit neun Monaten mache ich Dinge, die ich vorher nie getan hätte. Einfach indem ich mich um mein Kind kümmere. Zum Beispiel stundenlang mit ihm spazieren gehe, dabei neue Straßen, Bäume oder bizarre Details entdecke. Ich weiß jetzt, wie schön der Himmel um 5:00 aussehen kann, und zwar jeden Tag anders. Außerdem lerne und erlebe ich Neues, indem ich immer wieder die Perspektive meines Sohnes einnehme. Ihn nachahme. Mich auch auf den Rücken lege, nach meinen Füßen greife und hin und her schaukle (sehr zu empfehlen, macht gute Laune).

Seit dieser kleine Mann jeden Tag an meiner Seite ist, benutze ich meine Sinne so aktiv wie wohl seit meiner Kindheit nicht mehr. Plötzlich fällt mir auf, dass es ein lustiges Geräusch macht, wenn ich an Klettverschluss entlang kratze. Ich spiele wieder! Ich mache Quatsch. Ich tanze und singe, ohne darüber nachzudenken, wie das jetzt gerade aussieht oder klingt. Ich rede Unsinn in verschiedenen Tonlagen. Und es macht so verdammt viel Spaß. Ich fühle mich extrem lebendig dabei. Leicht. Und bin erstaunt, wie schnell mein Repertoire an Albernheiten expandiert.

Es ist unglaublich toll, dass Kinder diese Superkraft haben, Erwachsene zum Quatschmachen zu bringen. Plötzlich ziehen die Großen wieder Grimassen, verstellen ihre Stimmen, nur um das Kind zum Lachen zu bringen. Sie sind dabei ganz im Augenblick. Deswegen ist es grandios, Kinder um sich zu haben. Sie erinnern uns daran, wie schön es ist, einmal loszulassen, nicht vernünftig oder akkurat zu sein. Sondern einfach nur da und albern.

Natürlich könnte man jetzt einwenden, dass diese Albereien nichts mit künstlerischer Kreativität zu tun haben. Vielleicht nicht direkt. Aber sie sind wie das Warm up vor dem großen Lauf. Durch all die Blödeleien, die da täglich aus mir herausschwallen, bekomme ich eine ungefähre Ahnung davon, wie viel schöpferisches Potential in mir steckt. Denn das ist es, was ich tue: Ich erfinde. Wortspiele, Laute, Bewegungsabläufe…. . Und das Beste daran – ich mache es, ohne zu bewerten. Denn man kann jetzt nicht wirklich gut oder schlecht albern sein.

Es lockert den Geist. Ich nehme mich plötzlich nicht mehr so wichtig. In jedem anderen Bereich meines Lebens wacht die strenge Kritikerin über allem, was ich tue. Nur beim Herumalbern mit meinem Kind nicht. Das ist unglaublich befreiend.

Klar würde ich derlei Unsinn ohne meinen Sohn nicht machen. Das wäre ja komplett bescheuert. Mit ihm aber ist diese Art von Spiel völlig legitim, denn sie hat einen Sinn – ihn glücklich zu machen. Und dafür bin ich sehr dankbar.