Unser Sohn kam auf die Welt und es änderte sich – Überraschung – fast alles. Gelangweilt auf der Couch sitzen, weil alle interessanten Serien schon geguckt sind (manche sogar mehrfach…) – diese Szene erscheint in meinem Kopf in Sepia, mit milchigem Rand. Ewig her.

Man könnte denken, dass es mir damals leichter fiel, eigene kreative Sachen zu machen, denn ich hatte Unmengen von Zeit. Pustekuchen. Ich hatte viele Ideen, aber in Realität verwandelte ich davon einen Miniprozentsatz.

Als Mama bin ich nun deutlich ambitionierter. Es geht ja auch um mehr. Ein Vorbild sein zum Beispiel. Bleibt allerdings ein Problem: Wie kriegt man das als Mutter mit dem Umsetzen hin? Denn die Zeitfenster sind ganz schön geschrumpft.

An Artist Residency in Motherhood

Die Künstlerin Lenka Clayton hat eine tolle Lösung gefunden. Sie schuf sich einfach selbst ein Künstlerprogramm – An Artist Residency in Motherhood. Auslöser war, dass Clayton, sobald sie Mutter geworden war, bemerkte, wie familienunfreundlich die Kunstwelt ist. Sie konnte nicht mehr an Künstlerresidenzen teilnehmen, wie sie es vor ihrer Schwangerschaft getan hatte. Denn diese nahmen keine Familien auf.

Kurz entschlossen druckte Clayton Visitenkarten, bastelte ein Schild für ihre Ateliertür und machte sich einen Plan. Dreimal in der Woche ließ sie ihren anderthalbjährigen Sohn für ein paar Stunden von jemand anderem betreuen und widmete sich ganz ihrer Kunst. Zusätzlich verpflichtete sie sich dazu, jede Gelegenheit – und sei sie auch nur ein Nickerchen lang – zum Arbeiten zu nutzen.

Clayton schloss also einen Vertrag mit sich selbst. Sie nahm ihre kreative Seite genauso ernst wie ihre Mutterschaft. Visitenkarten, ein Manifest, feste Arbeitszeiten und eine offizielle Website halfen ihr dabei. Letztendlich bekam sie sogar Fördergelder für ihre Artist Residency in Motherhood.

Ich bin zwar nicht von Beruf Künstlerin, habe mir inzwischen aber auch feste Arbeitszeiten eingeräumt. Wenn mein Freund unterwegs ist, kann ich nur abends schreiben, malen oder Neues ausprobieren. Ist er zu Hause, nehme ich mir zusätzlich am Vormittag zwei Stunden Zeit. Ansonsten nutze ich die Nickerchen des Babys, um zu lesen, Dinge zu posten oder Pläne zu schmieden.

Elternschaft als Chance, kreativ zu sein

Doch zurück zu Lenka Clayton. Am wichtigsten ist nämlich ihre Einstellung zu der ganzen Mutter-und-trotzdem-Künstlerin-sein-Sache. Denn sie nahm sich vor, ihr Mama-Dasein als Chance und nicht als Hindernis zu begreifen. Sie wollte nicht trotz Mutterschaft kreativ sein, sondern aus ihr heraus. Das ist der entscheidende Punkt. Lenka Clayton machte die kurzen Atelierzeiten, die geringere Aufmerksamkeitsspanne, den Schlafmangel, die beschränkten Ressourcen und diesen krassen Umbruch, den Menschen erleben, wenn sie Eltern werden, zu ihrem Ausgangspunkt. Diese Erfahrungen wollte sie untersuchen, sie sollten ihre Arbeit formen. So entstanden Werke wie 63 Objects Taken from my Son`s Mouth, The Distance I can be from my Son oder Dangerous Objects made Safer

Als ich zum ersten Mal auf Lenka Clayton und ihr Vorhaben stieß, wurde ich ganz hibbelig. Genau das war es, was ich gesucht hatte. Genau das wollte ich in diesem Blog behandeln. Kreativ sein und leben nicht trotz Elternsein, sondern gerade weil wir es sind.

Seitdem ich die Verantwortung für meinen Sohn habe, fühlt sich so gut wie alles anders an. Vieles ist spannender, einiges deutlich anstrengender und manches einfach blöd.
Nun könnten wir uns entschließen, über die doofen Sachen zu meckern. Zu jammern, was alles nicht mehr geht. Oder wir könnten es spielerisch sehen und schauen, was daraus für Möglichkeiten entstehen.

Manche Veränderungen nehmen mich persönlich ziemlich stark mit. Allen voran der Schlafmangel und die daraus resultierenden Fehlfunktionen meines Hirns. Gejammert habe ich darüber schon oft, aber das führt zu nichts außer Selbstmitleid. Und deswegen weigere ich mich ganz Lenka Clayton-like, den Schlafmangel weiterhin als ein Hindernis zu sehen und machte ihn stattdessen zu meinem Forschungsobjekt. Genaueres über meine Erkenntnisse lest ihr hier.
Auch mein verändertes Körpergefühl nahm ich als etwas, das ich spielerisch untersuchen konnte.

Sich selbst kleine Experimente auszudenken, sie aus der Mutterschaft heraus zu entwickeln, ist super, um die eigene Kreativität zu erkunden. Es lockert meinen anstrengenden, aber manchmal auch eintönigen Alltag mit Kind auf. Und es hilft mir, mit Dingen besser klar zu kommen, die ich gerade nicht ändern kann. Ich bin ihnen nicht mehr einfach ausgeliefert, sondern habe sie mir angeeignet, weiterentwickelt, etwas Metaebenen-mäßiges daraus gemacht.

Könnt ihr euch diese oder eine ähnliche Herangehensweise an Elternschaft und Kreativsein vorstellen? Habt ihr es schon einmal ausprobiert?