Heute ist Equal Care Day. Ein Tag, der daran erinnert, wie unfair Fürsorgearbeit in Deutschland verteilt ist. Frauen erledigen mindestens 80% dieser Arbeit, die so wenig wertgeschätzt wird.
Ich möchte, dass sich das ändert. Deswegen versuchen mein Freund und ich Equal Care zu leben. Um euch näher zu bringen, warum wir das machen und woran wir scheitern, habe ich den offiziellen Fragebogen zum Equal Care Day 2017 ausgefüllt. Mehr zu diesem Tag auf equalcareday.de
1. Wie ist die CareArbeit bei Euch zuhause auf die Erwachsenen verteilt? Gibt es feste Zuständigkeiten?
Die Hausarbeit teilen wir uns genau gleich auf. Es gibt keine festen Zuständigkeiten, eher Vorlieben. Mein Freund saugt zum Beispiel gern, ich habe nichts gegen Wäsche auf- und abhängen.
Auch bei der Betreuung unseres Sohnes machen wir beide so gut wie alles. Wickeln, an- und umziehen, gemeinsam essen, spielen, tragen, zum Arzt gehen, ins Bett bringen, nachts füttern… . Ich gehe außerdem einmal in der Woche mit dem Baby zu einem Mutter-Kind-Kurs und bin für seine Kleidung verantwortlich.
Wir wollen beide viel Zeit mit unserem Sohn verbringen. Versuchen es aber so einzurichten, dass jeder von uns genug Raum für sich und eigene Projekte hat. Deswegen kümmert sich Christopher etwa zwei bis drei Stunden am Tag allein um das Kind, damit ich in Ruhe arbeiten kann und umgekehrt. Abends wechseln wir uns mit dem Ins-Bett-bringen ab.
Es gibt allerdings auch Tage und Wochen, an denen Christopher beruflich unterwegs ist. Da ist dann nichts mit equal. Da mache ich alles. Die anderen Zeiten überwiegen bisher zum Glück.
2. Warum teilt Ihr Euch anfallende CareArbeit untereinander auf? Welche Vorteile habt Ihr dadurch?
Ich wurde glücklicherweise ohne Putzfimmel geboren und finde Hausarbeit dementsprechend blöd. Deswegen ist es super, nur die Hälfte von diesem ganzen Kram machen zu müssen. Abgesehen davon finde ich es notwendig, ausreichend Zeit für mich, meine Ideen, meine Arbeit zu haben. Ich möchte mich auch außerhalb unserer vier Wände verwirklichen.
Am wichtigsten ist mir jedoch, dass unser Kind mit beiden Elternteilen annähernd gleich viel Zeit verbringt und so eine starke Bindung zu uns beiden aufbauen kann. Ich möchte, dass es sich von seinem Papa genauso gut trösten lässt wie von mir. Es soll erleben, dass liebevolles Sich-kümmern nichts mit dem Geschlecht zu tun hat. Außerdem ist es schön, dass wir diese riesige Verantwortung, die wir für unseren Sohn haben, miteinander teilen können. Allein wäre sie mir zu schwer.
3. Welche Nachteile und Schwierigkeiten gibt es, welche Hürden?
Wir mussten uns erst richtig eingrooven. Das hat etwas gedauert. Eine Zeit lang habe ich mich mehr zuständig für unser Kind gefühlt. Das führte dazu, dass ich unzufrieden und überfordert war, wir öfter stritten. Als ich begriff, dass es nicht hauptsächlich daran liegt, dass mein Freund denkt: „Mach mal!“, sondern ich aktiv mehr Verantwortung abgeben kann, darf und muss, lief es plötzlich deutlich besser.
4. Wäre es nicht praktischer, eine Person des Haushalts würde sich alleine darum kümmern und so auch den Überblick und die Verantwortung behalten?
Die Tage, an denen ich mit unserem Sohn allein bin, verlaufen etwas ruhiger. Ich muss nichts absprechen, keine Einwände berücksichtigen, kann den Tag so gestalten, wie ich es gerade möchte. Das ist manchmal schon praktisch. Aber auf lange Sicht wäre es mir viel zu anstrengend. Und zu langweilig.
5. Wodurch / Wann stoßt Ihr an Grenzen der fairen Aufteilung?
Durch die Arbeit meines Freundes. Sie bringt mit sich, dass er Tage, manchmal Wochen am Stück unterwegs ist. Da wird aus dem 50:50 leider ein 0:100.
6. Hat sich die Verteilung der CareArbeit verändert im Vergleich zur Zeit ohne Kinder?
Wir hatten noch nie feste Putztage oder -zeiten, sondern machen alles nach Gefühl. Eben wenn es uns nötig erscheint. Das lief früher schon gut und ist jetzt mit Kind nicht anders. Wir haben die gleiche Ekelgrenze. Das ist sehr praktisch. Niemand flippt aus, wie unordentlich oder dreckig es doch sei, während der andere den Staub nicht mal sieht.
7. Was hat sich verändert mit dem Älterwerden der Kinder? Musste die Aufteilung in Frage gestellt und evtl. neu verteilt werden?
Kurz nach der Geburt unseres Sohnes war ich deutlich mehr verantwortlich für ihn. Das lag vor allem am Stillen. Allerdings etablierten sich währenddessen Gewohnheiten, die noch über das Stillen hinaus andauerten. Manche Dinge, wie ins Bettbringen, klappten bei mir einfach besser. Und so behielten wir das Ungleichgewicht noch eine Weile bei. Als unser Sohn etwa neun Monate alt war, fand ich es so nicht mehr tragbar.
Wir besprachen gemeinsam die Situation. Erklärten uns gegenseitig, wo wir Probleme und mögliche Ursachen sahen. Fanden Lösungen. Und seitdem läuft es richtig gut.
8. Welche Reaktionen bekommst Du von anderen für Dein Tun als als Frau*?
Ich fühle mich als Frau stärker unter Beobachtung. Ich habe den Eindruck, ich kann mehr falsch machen. Zu viel oder zu wenig tragen. Zu kurz oder zu lange stillen. Zu viel oder zu wenig arbeiten. Ich kann eine Helikopter- oder eine Rabenmutter sein. Von Rabenvätern habe ich noch nie gehört. Von Superpapas allerdings schon.
9. Erzähle von einer Situation, ein Gespräch, in dem Du eine positive und eine, in dem Du eine negative Reaktion erfahren hast.
Ich bekomme oft gespiegelt oder gesagt, dass man sieht, dass mein Sohn und ich eine gute Bindung zueinander haben. Sowohl von unseren Familien als auch von Außenstehenden. Das ist schön.
Sehr negativ habe ich die Zeit in Erinnerung, in der das Stillen nicht richtig klappen wollte. Überall hörte und las ich, dass Stillen das Beste fürs Kind sei, seine Gesundheit und sogar der IQ davon abhingen. Das hat mir unglaublichen Stress gemacht (wohl nicht sehr förderlich fürs Stillen). Ich hatte das Gefühl, als Mutter – zumindest in einem sehr wichtigen Bereich – zu versagen. Christopher sah das damals alles viel lockerer. Ich schätze, für diesen ganz speziellen Erwartungsdruck rund ums Kind sind Frauen noch immer deutlich anfälliger.
10. Was würdest Du Deinem jüngeren Ich mit auf den Weg geben, das weder Kinder hat noch in einer Partnerschaft lebt, wie es mit dazu beitragen kann, dass Equal Care gelingen kann?
Ich würde meinem jüngeren Ich raten, die tradierten Rollenbilder zu hinterfragen. Menschen sind nicht besser oder schlechter fürs Herdputzen, Karriere machen oder Kinder hüten geeignet, nur weil sie einen Penis haben. Oder weil sie gerade keinen Penis haben. Sie sollte versuchen, sich für das zu entscheiden, was sich für sie am besten anfühlt. Nicht für das, was andere als vermeintlich richtig beklatschen.
11. Was wünschst Du Dir von Politiker*innen?
12. Was wünschst Du Dir von anderen Entscheidungsträger*innen?
Mehr finanzielle Unterstützung für Familien. Überall gut ausgebaute und für alle bezahlbare Kitas zum Beispiel. Mein Wunschtraum wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle.
Außerdem wünsche ich mir, dass die Arbeit, die innerhalb von Familien geleistet wird – ob dass die Betreuung von Kindern oder die Pflege kranker Angehöriger ist – gesellschaftlich viel mehr wertgeschätzt wird.
13. Was wünschst Du Dir konkret für Deinen Alltag anlässlich des Equal Care Day 2017?
Ich wünsche mir, dass es normal wird, dass Familien die CareArbeit gleichwertig aufteilen. Damit ich als Frau unter 30 in der Arbeitswelt nicht mehr als tickende Babybombe wahrgenommen werde. Damit gut bezahlte und anspruchsvolle Teilzeitstellen keine Rarität bleiben. Damit endlich die verkrusteten Rollenbilder aufweichen und unser Kind niemals Sätze hören muss wie „Hör auf zu heulen, du bist doch ein Junge!“.
Die Sicht meines Freundes könnt ihr hier nachlesen.
Wie teilt ihr euch die CareArbeit auf?
noch mehr staatliches geld für familien/kitas etc benachteiligt dann auch mal die kinderlosen. die kriegen ja bspw keine tolle teilzeitstelle oder steuererleichterung statt kindergeld…
außerdem ist der equal care gedanke ganz nett, aber vollzeitarbeit und gleiche arbeit wie der partner der zuhause bleibt: das ist unfair! der leistungsdruck im joballtag, die verantwortung etc. ist doch sehr anders als das eigene kind nach selbstgesetzten maßstäben zu erziehen und etwas haushalt.
ich glaube, du überschätzt elternschaft – und das staatliche unterstützen dieser.
Ich bin der Meinung, Arbeit sollte generell neu gedacht werden. Für alle, nicht nur für Familien. Auch Menschen ohne Kinder sollten die Chance auf eine gut bezahlte Teilzeitstelle haben. Weniger Stunden und mehr Selbstbestimmung im Job würde sicherlich viel Druck rausnehmen und gegen die zunehmenden stressbedingten Krankheiten vorbeugen. Außerdem ist das heute vorherrschende Vollzeitmodell in einer Zeit entstanden, in der fast ausschließlich ein Elternteil – meistens der Mann – arbeiten ging, während der bzw. die andere für Kinder und Haushalt zuständig war. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Deswegen wäre es sinnvoll, neue Arbeitszeitmodelle zu etablieren.
Was die Aufteilung bei uns betrifft: Unser Ziel ist es, dass wir beide genauso viel Erwerbsarbeit wie CareArbeit leisten. Das klappt momentan nur, wenn mein Freund zu Hause ist. In den Wochen, in denen er weg ist, mache ich 100% der CareArbeit und er 0%, da es ihm durch die Entfernung nicht möglich ist. Ich verlange also gar nicht, dass er zusätzlich zu 100% Erwerbsarbeit 50% der CareArbeit übernimmt.
Ich glaube nicht, dass ich die Elternschaft überschätze. Mein Partner und ich, wir sind uns einig, dass es der härteste Job ist, den wir jemals hatten. 😉
Erstmal, wirklich schöner Blog. Habe es gerade geschafft, mich ein bisschen durchzublicken. Und ein wirklich guter Text mit interessanten Einblicken. Ich finde, das Wichtige ist, dass wir Familie nicht nur für die Arbeitswelt optimieren, sondern allgemein überlegen, was uns allen wichtig ist. Das Schlimmste ist, Familien gegen Kinderlose auszuspielen (das bisschen Kind und Haushalt und Menschen mit Kindern kriegen immer mehr), denn auch Kinderlose brauchen ja Beziehungen. Freunde und Partner lassen sich nur hier lange Zeit einfacher weg organisieren und ein Kind zeigt dir unmittelbarer seine Bedürfnisse. Langfristig bin ich aber der festen Überzeugung, ist es aber für alle besser, wenn wir Leben wieder mehr über Arbeit stellen.
Freut mich, dass dir der Blog gefällt! Was deine Gedanken zu Leben und Arbeit betrifft, stimme ich dir voll zu. Ich glaube auch, dass es unser Lebensgefühl und das gesellschaftliche Miteinander positiv verändert, wenn wir uns weniger stark darüber definieren würden, was und wie viel wir arbeiten.