An meiner letzten Aufgabe bin ich selbst gescheitert. Ich glaube, ich habe da etwas verlangt, was gar nicht geht. Jedenfalls nicht so, wie ich mir das dachte.
Das Fließen der Gedanken beobachten… das ist Quatsch. Denn sobald ich anfange, da oben herumzubeobachten, unterbreche ich den Denkprozess, ich verändere ihn. Genauso wie sich das Geschehen verändert, wenn man plötzlich eine Kamera draufhält.
Als ich dennoch versuchte, meine Gedanken zu beobachten, konnte ich mir höchstens einzelne schnappen. Ich hüpfte einfach zu schnell hin und her. Unberechenbar. Das realisierte ich aber immer erst im Nachhinein – als ich mich wieder daran erinnerte, dass ich ja eigentlich meine Gedanken beobachten wollte…
Trotzdem fiel mir auf, wie sehr meine Umgebung Einfluss auf das hat, was in meinem Kopf vor sich geht. Mir war bisher nicht bewusst, wie häufig ich einen Gegenstand – zum Beispiel ein rotes Auto – sehe und sich sofort die Assoziationsmaschine da oben in Gang setzt, Erinnerungen und Verknüpfungen produziert. Solange bis ich den nächsten Gegenstand oder Menschen sehe, der irgendetwas in mir triggert.
Na jedenfalls schaffte ich es nicht, eine Gedankenkette einzufangen, also aufzuschreiben. Deswegen wollte ich es umgekehrt versuchen. Mich gezielt hinsetzen und während ich schreibe denken. Ich nahm mir also Papier und irgendeinen Gedanken und stoppte erst als das Blatt voll war.
Bei dieser Übung bekommt man einen ganz guten Eindruck davon, mit welcher Geschwindigkeit unser Gehirn arbeitet. Meine Gedanken waren immer schneller als meine Hand. Sie führten mich kreuz und quer durch meine Vergangenheit, ließen völlig unzusammenhängende Wörter und wichtige Fragen aufploppen.
Im schlauen Internet erfuhr ich dann, dass diese Methode ganz offiziell „Écriture automatique“ heißt. Sie dient dazu, alles, was an Gedanken, Bildern und Gefühlen in uns herumwabert, ungefiltert rauszulassen.
Zuerst wurde sie in der Psychologie angewendet. Durch das Schreiben sollten unbewusste Erlebnisse ins Bewusstsein geholt werden, um sie zu verarbeiten.
In der Literatur adaptierten unter anderem die Surrealisten um André Breton die „Écriture automatique“. Die Methode verschaffte ihnen einen neuen Zugang zur Kreativität – weil sie sich jeder Formvorgabe widersetzt und den inneren Kritiker austrickst.
Auch die bildenden Künstler des Surrealismus starteten derartige Experimente und kritzelten wild drauf los, um ihr Unbewusstes aufs Papier zu bringen.
Die elfte Aufgabe
Wir bleiben abstrakt und hüpfen schnell zur nächsten Aufgabe.
Material:
Ein großes Blatt Papier. Ein Stift (optimal wäre ein weicher Bleistift). Musik.
Aufgabe:
Zeichne, was du hörst.
Hashtag:
#artup_woche11
Notiz:
Sich durch Musik inspirieren zu lassen, ist gängige Praxis in der Kunst. Eines der berühmtesten Beispiele ist der russische Maler Wasily Kandinsky. Seine abstrakten Bilder sind gemalte Musik. Kandinsky war Synästhetiker und konnte Töne sehen. Er komponierte seine Symphonien nicht mit Noten, sondern Farbe und Formen.
Wir kritzeln diesmal also keine Gedanken, sondern Musik.
Hänge dazu ein großformatiges Blatt Papier an die Wand, so dass du im Stehen malen und ausladende Bewegungen machen kannst. Lege Musik auf. Am besten du wählst ein instrumentales Stück oder einen Song, bei dem du die Sprache nicht verstehst. Dann steht die Bedeutung der Wörter nicht zwischen dir und dem unbeschwerten Prozess.
Versuche, ganz in die Musik einzutauchen, sie eher mit dem Körper zu erfassen als mit dem Kopf. Lass die Musik deine Hand führen. Welchen Rhythmus spürst du, welche Form haben die Melodien? Es gibt kein Richtig oder Falsch. Nur deine Version.
Am kommenden Donnerstag veröffentliche ich meine Kritzel-Kompositionen und es gibt die nächste Aufgabe. Bis dahin: Werdet kreativ! 🙂
Für alle, die neu hier sind und sich fragen, was es mit diesen mysteriösen Aufgaben auf sich hat, gibt es hier noch einmal alle wichtigen Infos. Ich freue mich, wenn ihr beim nächsten Mal mit dabei seid!